Resonanzleere unter kontaktierten Ärzten/-innen

Im Zuge der Gründung der SHG habe ich - anlässlich der Aktualität - sehr viele Allgemeinärzten/-innen und PsychiaterInnen aus Graz und Umgebung angeschrieben. Lediglich 4 Ärzte/-innen haben sich zurückgemeldet (vielen Dank an diese Personen an dieser Stelle!).

 
Da ich es nicht verstand bzw. fassungslos war, dass es so eine Riesen-Resonanzleere gibt, habe ich Herrn Dr. Bämayr gefragt, wie es so etwas geben kann, und darf hier seine geschätzte Antwort offenlegen.

 

Gesendet: Donnerstag, 24. Januar 2013 um 13:09 Uhr
Von: "Dr.med.A.Bämayr" <mobbingsyndrom@gmail.com>

Betreff: Re: Ignoranz von Ärzten
 
Sehr geehrte Frau Pichler,

vielen Dank für Ihren engagierten Einsatz.

Ich vermute mehrere Ursachen für die von Ihnen so registrierte "Ignoranz" der Ärzte:

Einige haben sicherlich resigniert und schieben das für sie in zweifacher Hinsicht unangenehme Thema von sich (eigene Betroffenheit und die Hilflosigkeit gegenüber der Krankheitsursache Mobbing) und wer beschäftigt sich schon gerne mit seiner eigenen Hilflosigkeit? Und wer nimmt schon freiwillig den Kampf mit der Administration auf, noch dazu, wenn er mit der Behandlung von Patienten ausgelastet ist und vor allem durch die unsachgemäße fremdbestimmende Diktatur der Bürokratie förmlich erstickt wird.

Erst wenn die eigene psychische und soziale Existenz hochgradig gefährdet ist, werden einige Ärzte reagieren und aktiv, aber sicherlich nicht geschlossen, sondern allenfalls individuell, so wie es auch in der gesamten Menschheitsgeschichte nur sehr selten zu beobachten ist, dass die Unterdrückten, Ausgegrenzten und Gedemütigten selbst die Revolution beginnen, sondern im Regelfall von "Unbeteiligten" angeführt werden, so dass sich nach Abschluss der Revolutionen über kurz oder lang nicht die Verhältnisse geändert haben, sondern nur die unterdrückenden Personen (Hannah Arendt).

Wenn wir die "Würde des Menschen" (Art. 1 Grundgesetz) in etwa gleichsetzen mit der "psychosozialen Stabilität" dann müssen wir feststellen, dass durch die "Zulässigkeit der psychischen Gewalt", welche immer die psychosoziale Stabilität gefährdet, in einem gigantischen Ausmaß die Würde des Menschen verletzt wird, was natürlich nahezu alle Herrschenden zur Aufrechterhaltung ihrer Macht auch gar nicht ändern wollen.* Dies ist in meinen Augen der tiefere Grund, warum sich bisher auf der gesetzlichen Ebene nichts Entscheidendes ändert. Aber so wie die körperliche Gewalt im vergangenen Jahrhundert langsam und mühsam, aber längst nicht weltweit, begonnen wurde, gesetzlich zu sanktionieren, so wird hoffentlich eines fernen Tages auch einmal die psychische Gewalt sanktioniert werden. Das wird sicherlich lange dauern, aber ich bin hoffnungsvoll, dass dies zunächst im individuellen Bereich wie z.B. bei Mobbing (bei Stalking ist die Strafbarkeit schon eingeführt) geschehen wird und erst in ferner Zukunft bei der noch umfassenderen hochproblematischen und nicht minder krankheitsauslösenden "strukturellen Gewalt".

Ich verstehe mich auf diesem Weg als ganz kleines Rädchen, dem es auch nicht leicht fällt, geduldig zu bleiben, aber erfahrungsgemäß führt ein übermäßiger Druck eher zum Gegenteil, weil jeder Mensch dazu neigt, dies als übermäßige Fremdbestimmung zu empfinden, die er lieber abwehrt.
Wie immer ist ein Mittelweg am erfolgreichsten: Kein Engagement ist genau so fatal wie zu viel Engagement, besonders dann, wenn dies in ein Sendungsbewußtsein umschlägt.

Also üben wir uns beide in Geduld und ich bin mir sicher, dass vielleicht mehr Ärzte und Betroffene das Buch kaufen und lesen, ohne dass wir sofort eine Rückmeldung erhalten. Außerdem wird das Buch spätestens dann eine Wirkung entfalten, wenn es auch in der Fachliteratur diskutiert wird. Aber wie gesagt, dies geschieht nicht von heute auf morgen, auch wenn ich dies auch gerne so hätte.

Mit der Überzeugung, dass Sie nicht resignieren werden, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Argeo Bämayr
 
 
 
 
(*Hervorhebung fett-kursiv durch SHG Mobbing)